Markendehnung und Markentransfers

Historische Beispiele zu Tops und Flops von Markendehnungen

Ein Turbo für die Lancierung neuer Produkte oder Garant für die Verwässerung des Markenkerns? Markentransfer ist seit Jahren eines der kontrovers diskutierten Themen im Marketing. Zahlreiche Praxisbeispiele dokumentieren Markentransfers der letzten Jahre: das iPhone von Apple, eine Babypflege-Serie von HiPP, ein WC-Stein von Alessi, McCafé von McDonald’s oder auch der SUV „Cayenne“ vom Sportwagenhersteller Porsche. Im Bereich der „Fast Moving Consumer Goods“ stellen Markentransfers inzwischen 90% der Neuprodukteinführungen dar.

 

Hier finden Sie sowohl Erfolgsgeschichten als auch (bald) Beispiele des Scheiterns. Wir erweitern diese Seite nach und nach - also work in progress.

Markendehnungen - Tops

Aldi

Der weltweit operierende Lebensmitteleinzelhändler Aldi basiert auf der Discount-Geschäftsidee der Brüder Albrecht: durch Einsparung bei Einrichtung, Dekoration, Ladenmiete und Werbung, können Produkte von vornherein günstiger angeboten werden.

Im Wettbewerb mit den klassischen Supermarktketten, die in Angebot und Warenpräsentation immer mehr auf Premiumkonzepte setzen, ist das Discountprinzip bereits ein Stück weit aufgeweicht - Handelsexperte Matthias Queck von LZ Retail spricht in seiner Studie „Discounter - Die Supermärkte von morgen“ bereits von einer "Supermarktisierung" der Discounter.

Eingeleitet wurde diese Entwicklung nicht zuletzt durch eine Dehnung der Marke: Hatte Aldi in den 1980er Jahren noch den Ruf eines Arme-Leute-Ladens, konnten sie nachfolgend durch gute Testergebnisse ein Image des guten Preis-Leistungsverhältnisses aufbauen. Dieses Image wurde erfolgreich genutzt, um seit den 1990er Jahren neben dem ursprünglichen Lebensmittelsortiment auch einen immer weiter ansteigenden Teil an Non-Food Artikeln anzubieten. Mittlerweile gehören in Kooperation mit dem Handelspartner Medion sogar Personal Computer, mit der TUI-Tochter „Berge & Meer“  Pauschalreisen sowie ein eigener Handytarif „Aldi Talk“ zum Sortiment.

 

amazon.com

Ein Paradebeispiel für erfolgreiche Markendehnung ist der Internet-Versandhandel Amazon. Der Gründer Jeff Bezos startete 1995 seine Online-Plattform für den Bücherversandhandel, der im Gegensatz zu manch anderen Internet-Versand-Ideen ausgesprochen gut funktionierte. Amazon entwickelte einen Ruf als zuverlässiger Anbieter mit enorm großem Angebot. Dieser Ruf ließ sich ausweiten: Das heutige Angebot von Amazon umfasst mittlerweile nicht nur Bücher, sondern auch CDs, DVDs, Musik, Video, Elektronik, Foto-Artikel, Software, Computer- und Videospiele, Küchen- und Haushaltsgeräte, Sport- und Freizeitartikel, Spielwaren, Drogerieartikel und Zeitschriften. Über die integrierte Verkaufsplattform "Marketplace" bietet Amazon auch anderen Unternehmen und Privatpersonen die Möglichkeit, online neue und gebrauchte Produkte anbieten - z.T. übernimmt Amazon sogar die Logistik.

Unter eigener Marke werden der Amazon Kindle als Lesegerät für elektronische Bücher, der Tabletcomputer Fire HD, die Set-Top-Box Fire TV sowie der HDMI-Stick Fire TV Stick. Unter dem Namen Alexa wurde das Spracherkennungssystem Amazon Echo bekannt, ein Smart Speaker und sprachgesteuerter, internetbasierter Intelligenter Persönlicher Assistent, der seit Anfang 2017 auch in Deutschland erhältlich ist.

Ein kleiner Wermutstropfen trübt diese Erfolgsgeschichte der Markendehnung: Das Smartphone von Amazon ist gefloppt. Das Fire Phone wurde lediglich von Mitte 2014 bis Mitte 2015 verkauft. 

 

Apple

Ursprünglich Hersteller von Computern, konnte Apple bereits mit dem iPod eindrucksvoll einen neuen Markt erobern – den der MP3-Player. Ausgefallen anders waren die weißen Ohrhörer, die als besonderes Design-Element geschätzt wurden. Generell gewann die Marke viele Anhänger aufgrund des guten, durchdachten Designs der Produkte. Seit jeher gilt Apple als Synonym für Design und Kreativität.

Mit der Einführung des iPhone als erstem echten Smartphone, des iPad 2010 als erstem durchsetzungsfähigen Tablet und schließlich der Apple Watch, als Vorreiter der Smartwatches, wurden erneut neue Produktkategorien erschlossen. Doch nicht nur im Hardwarebereich hat Apple seine Marke erfolgreich gedehnt, auch der Kauf von Musik über die iTunes, der ständig verfügbare Datenspeicher in der iCloud und die vielleicht eigentliche Revolution des Verkaufs von Apps im AppStore, waren äußerst erfolgreiche Markendehnungen. Inzwischen werden jedes Jahr schon frühzeitig die Spekulationen angeheizt, welche Neuerung Apple als nächstes zeigt. Bislang hat die Marke Apple durch all diese Dehnung an Begehrlichkeit gewonnen.

 

Bacardi

Eigentlich eine Erfolgsgeschichte für Markendehnung, die dann die pretiale Steuerung des Staates beendet wurde... Ursprünglich verband man mit der Marke Bacardi vor allem den gleichnamigen Rum. Der schrumpfende Spirituosenmarkt, auf dem sich Bacardi behaupten musste, machte dem Unternehmen jedoch zu schaffen. Durch die Einführung der Mischgetränke „Barcardi Rigo“ und "Barcardi Breezer" 1994 gelang schließlich der Aufbau eines neuen, sehr erfolgreichen Produktsegments, das vor allem die Jugend ansprach. Bacardi Rigo erhielt im Jahr 2003 noch den Marken-Award der Absatzwirtschaft für die beste Markendehnung. Letztlich war das neue wachstumsstarke Segment der Alkopops aber vor allem für Jugendliche zu verführerisch. Alkopops wurden besteuert und Barcardi nahm daraufhin die Marken Rigo und Breezer im Jahr 2008 vom Deutschen Markt.

International gibt es noch einige Markenerweiterungen unter dem Namen Barcardi. In Deutschland ist Barcardi heute eher ein Mehrmarkenunternehmen, das einige bekannte Brands wie Barcardi Rum, Martini Vermouth, Bombay Sapphire Gin oder Grey Goose Vodka unabhängig voneinander führt. 

Barbie

Die Barbie-Puppe als bekannteste und meistverkaufte Puppe der Welt ist schon lange kein einfaches Spielzeug mehr. Neben der Ausweitung der „Barbie-Familie“ durch neue Puppen und Charaktere, wird seit Mitte der 1980er Jahre auch eine teurere Sammlerlinie für Erwachsene angeboten. Deren Puppen tragen Kleidung bekannter Modeschöpfer oder sind Filmfiguren nachempfunden. Seit 1986 gibt es die Barbiepuppen auch aus Porzellan, die wie viele andere Puppen der „Barbie Collector“ Linie die gesetzlichen Sicherheitsbestimmungen für Spielzeug nicht erfüllen und somit (bewusst) nicht für Kinder geeignet sind. Seit 2001 erscheint außerdem jedes Jahr ein animierter Barbie-Spielfilm. Des weiteren gibt es Barbie-Bücher, Apps, Videospiele für PC und verschiedene Spielkonsolen, Brettspiele, einen Barbie-MP3-Player, eine Barbie-Digitalkamera, Taschen, Schuhe, Roll- und Schlittschuhe, Geschirr, Drei- und Fahrräder, Barbie-Kleidung (für Mädchen), Bettwäsche, Schmuck, Pflegeprodukte sowie alle erdenklichen Kinder- und Spielwaren mit Barbie-Motiven - und natürlich dominiert die Farbe Pink.

Bebe

1961 ist das Geburtsjahr der Bebe Baby-Creme („Bebe Zartcreme“), welche für die milde Pflege von zarter, junger Haut steht. Die Produktmarke wurde seither erfolgreich auf eine klassische Serie für Babys und Kleinkinder (Bebe Zartpflege) gedehnt sowie unter dem Namen Bebe Young Care seit 1989 auch auf Produkte für junge Frauen zwischen 14 und 29 Jahren. Der Fit zur Ursprungsmarke wurde dabei durch die Positionierung „Für die natürliche Schönheit junger Haut“ hergestellt. 

2013 bietet Bebe mit "bebe More" eine Gesichtsreinigungs- und Pflegeserie für selbstbewusste junge Frauen an, die sich zu erwachsen für Teenie-Produkte, aber noch zu jung für Anti-Age Pflege fühlen.

Wurde die Marke überdehnt? Heute sind "Young Care" und "More" Geschichte. 2017 führt Bebe diese Marken wieder unter der Dachmarke Bebe zusammen. Die Ursprungsmarke Bebe Zartpflege für Kinder bleibt bestehen.

 

Becel

Der Name Becel steht bereits seit den 1960er Jahren für die von Unilever hergestellte Diät-Margarine. Der Markenname steht dabei für die Abkürzung BCL („Blood Cholesterol Lowering“ bzw. Blutcholesterinsenker).

Unter dem Motto „Cholesterinbewusst leben und genießen“ wurde die Produktpalette sukzessive ausgedehnt: Neben Fetten werden mittlerweile auch Wurstwaren, Käsealternativen, Salatcreme und Kaffeeweißer angeboten. Seit 2000 gehören auch Joghurtgetränke und Diät-Milch unter dem Namen „Becel pro-activ“ zur Produktpalette. Die Klammer des gesunden Lebensstils und der (Cholesterin)bewussten Ernährung umfasst nahtlos alle unter der Marke angebotenen Produkte.

Seit 2017 gehört die Marke Becel nicht mehr zu Unilever. 

Beck's

Die aus der bereits 1826 gegründeten Haake Brauerei hervorgegangene Beck GmbH &  Co. KG verwendet seit 1984 das „Beck’s Schiff“ als Werbesymbol für ihr weltweit vertriebenes Premium Pils. Die Attribute „Qualität und Frische“ sollten das Bier langfristig zum Exportschlager machen.

Die mittlerweile durchgeführte, erfolgreiche Erweiterung des Sortiments um Biermischgetränke spricht vor allem junge Menschen an und etablierte die Marke Beck’s auch als Party- und Szene-Getränk. Das traditionelle Pils ist nun als „Frisch. Pur. Echt“ positioniert. Beck’s Gold ist das Lifestyle-Bier für den Großstadtdschungel "Frisch. Mild. Echt". Die Mischgetränke 

  • Beck’s Lime – Pils mit einem Schuss Limette
  • Beck’s Green Lemon – Biermischgetränk mit niedrigem Alkoholgehalt und Zitronengeschmack,
  • Beck’s Green Lemon Zero – Beck’s Green Lemon ohne Alkohol
  • Beck’s Ice – transparentes Biermischgetränk mit niedrigem Alkoholgehalt und Limetten- und Minzegeschmack.
  • Beck’s Summer Holunder – Biermischgetränk mit niedrigem Alkoholgehalt und Holundergeschmack, ehemals eine Limited Edition

nutzen mehr oder weniger starkt als verbindendes Element die „Frische“ bzw. "erfrischenden Geschmack".

Bild

Das Boulevardblatt erweitert sein Angebot bereits seit 1983 erfolgreich um Ableger wie „BILD der Frau“, „Auto BILD“, „Computer BILD“, „Computer BILD Spiele“ etc. und als letztes Format 2017 die  Zielgruppenbewusst war die Vermarktung eines eigenen Prepaid-Mobilfunktarifs „BILDmobil“, die neben einem günstigen Mobilfunktarif an die kostenfreie Nutzung des BILD-Mobilportals gekoppelt war. Der Fit soll dadurch entstehen, dass die Marke BILD „das Angebot für den kleinen Mann“ verkörpert, das sich „jeder leisten kann“.

Die Dehnung der Marke in ein umfangreiches Online-Angebot, seit 2008 als Bild.de, ist für printbasierte Medienunternehmen heute kaum noch erwähnenswert. Zudem betreibt Bild einen Online-Shop für Sport- und Lifestylemarken, Uhren, Schuhe und Fan-Shops für nationale und internationale Sportteams. Seit August 2016 ist Bild auch mit einer eigenen Seite in den Sportwetten-Markt eingestiegen.

BMW

BMW produzierte zunächst Flugzeugmotoren und seit 1923 Motorräder. Erst 1929 gingen auch Automobile vom Band.

Im BMW-Shop gibt es in der Rubrik BMW Lifestyle inzwischen auch eine Vielzahl an Mode- und Accessoires-Artikel, auf denen gestalterisch immer die Marke BMW inszeniert ist.

Doch der wohl weiteste Schritt vom Ursprung der Marke BMW weg war 1971 die Gründung der BMW Financial Services (BMW Bank). Sie dient vor allem als Autobank zur Absatzfinanzierung bei Neuwagenverkäufen. Diese nehmen 62% der BMW-Neuwagenkäufer in Anspruch. Über die direkte Verbindung zum Kernprodukt gelang demnach der Schritt des Automobilherstellers in die Bankenbranche. Mittlerweile bietet die BMW Bank auch Vermögensmanagement und Versicherungsdienste an. Nicht zuletzt wird die BMW Welt als "Erlebnis- und Auslieferungszentrum" heute unter den Sehenswürdigkeiten in München geführt.